INTERMOT 2016 – An den Rand gedrängt

Die Branche ist tot, lang lebe die Branche! So, oder so ähnlich könnte man die Entwicklung auf dem Zweiradmarkt zusammenfassen. Während die Verkaufszahlen bei Naked Bikes, Café-Racern und Allroundern den Herstellern fast durch die Bank einen zweistelligen Umsatzzuwachs ermöglichen, ist die Nachfrage bei supersportlichen Motorrädern und wirklich radikalen Konzepten gering. Das spiegelte sich auch bei den Pressekonferenzen zu den Neuvorstellungen für das Modelljahr 2017 wider.

BMW

Der Presse-Tag auf der Intermot 2016 begann schon wenig sportlich am Stand von BMW. Ok, zugegeben, das klang bei der Präsentation der neuen Modelle der Bajuwaren natürlich etwas anders. Denn neben der Neuvorstellung der auf Authentizität getrimmten BMW R Nine T Pure wurde die Erfolgsserie durch ein weiteres Modell erweitert und dieses groß gefeiert. Der neue Spross der R Nine T Baureihe hat zwar den vielversprechenden Namen Racer, es handelt sich aber nicht um ein rennstreckentaugliches Brenneisen, sondern um einen weiteren, klassischen Café-Racer. Die Lampenverkleidung im 70-80er Stil sowie die weiße Verkleidung mit blauen und roten Streifen versprüht zwar tatsächlich eine sportliche Aura und es wurden auch Applikation aus Karbon verbaut, die Basis bleibt aber natürlich der altbekannte Boxer der R Nine T.

Ein bisschen mehr Sport gab es aber doch. Denn neben den R Nine T Modellen und dem fahrenden Wohnzimmer K1600ST (jetzt mit neuem Rückwärtsgang!) wurde auch die Euro-4-Version des Nakeds S 1000 R vorgestellt. Die Neue kommt jetzt mit dem Titan-Edntopf der HP, dem Blipper der vollverkleideten Rennschwester S1000RR und trotz erhöhter Grenzwerte bei den Emissionen mit mehr Leistung (165 PS statt 160) sowie zwei Kilogramm weniger Gewicht (205 kg). Ach ja: die etwas kleinere Seitenverkleidung gibt´s jetzt auch in neuem Dekor.

BMWs S1000R kommt 2017 trotzEuro 4 mit mehr Leistung, weniger Gewicht, dem Endtopf der HP und neuen Designs

BMWs S1000R kommt 2017 trotzEuro 4 mit mehr Leistung, weniger Gewicht, dem Endtopf der HP und neuen Designs

Kawasaki

Auch bei Kawasaki klang die Sache anfangs vielversprechend. Insgesamt vier Neuvorstellungen wurden zu Beginn der Präsentation angekündigt, zwei davon entpuppten sich aber als leichte Updates bestehender Modelle. Nummer eins betrifft die ZX-10R, die für 2017 nicht nur in neuen Designs kommt, sondern auch als Doppel-R. Besonderheiten hier: geänderter Zylinderkopf, verstärktes Kurbelgehäuse, vollwertiger Blipper, Marchesini-Schmiederäder und eine Ein-Mann-Sitzbank. Keine wirklich großen Veränderungen, aber immerhin.

Auch Kawasakis aufgeladener Kraftprotz H2/H2R wurde überarbeitet und für Euro-4 fit gemacht. Das Flaggschiff kommt jetzt als H2 Carbon im Kohlefaser-Ornat, mit überarbeitetem Federbein und einer verbesserten IMU (Inertiale Messeinheit). Damit konnten nicht nur die elektronischen Assistenzsysteme verbessert werden, sondern es gibt jetzt auch eine Neigungswinkelanzeige im Cockpit.

Zwei wirkliche Neuvorstellungen gab es mit der Ninja 650 und der Z1000SX dann auch noch. Die 650er kommt zwar optisch sehr sportlich daher, ist aber wie ihre Vorgängerin ER-6 auf Alltagstauglichkeit ausgelegt. Die Sitzposition ist mit hohem Lenker und niedriger Sitzbank entsprechend komfortabel. Auch das Gewicht von über 193 Kilogramm spricht jetzt nicht gerade für eine Rundenzeiten-Feile. Leistungsdaten wurden hier noch nicht kommuniziert, aber mit dem 649 ccm3 große Reihenzweizylinder wird man vermutlich nicht unbedingt Löcher in den Asphalt reißen.

Die Ninja 650 ist Kawasakis neuer Entwurf für die sportliche Mittelklasse

Die Ninja 650 ist Kawasakis neuer Entwurf für die sportliche Mittelklasse

Mit 142 PS mehr Dampf im Kessel hat mit Sicherheit die neue Z1000SX (Bild siehe unten). Auch Kawasakis Sporttourer wird für 2017 neu aufgelegt und unterscheidet sich schon optisch deutlich vom Vorgänger. Laut Kawasaki wurde in allen Bereichen Hand angelegt, um Komfort und Tourentauglichkeit zu erhöhen. Darüber hinaus verfügt auch sie über die neue IMU aus dem Hause Bosch und ein verbessertes Elektronikpaket.

Neu, aber nicht so richtig

Suzuki stellte in Köln endlich offiziell die neue GSX-R der Öffentlichkeit vor. So richtig überraschend war das aber leider nicht mehr. Nach den ersten Ankündigungen Ende letzten Jahres hatte es in den vergangenen Monaten so viele Bilder und Infos gegeben, dass zwar jeder auf die neue Speerspitze der Japaner wartete, das große AHA-Erlebnis dadurch verständlicherweise jedoch ausblieb. Die Neue kommt als GSX-R 1000 und als GSX-R 1000 R – die mit dem extra R wird es aber nur in limitierter Stückzahl geben. Beide Versionen sind mit Showa Federelementen ausgestattet, die R kommt aber mit edleren Balance-Free Elementen. Keinen Unterschied gibt es leider bei der Abgasanlage, sodass beide Modelle durch den vermutlich größten Endschalldämpfer der Superbike-Geschichte entstellt werden. Erwartungsgemäß hat der neu entwickelte Motor an Leistung zugelegt (gerüchteweise leistet das Aggregat gut über 200 PS), das eigentliche Ziel und auch die größte Herausforderung für die Ingenieure war aber die Leistung im mittleren und niedrigen Drehzahl-Bereich. Erreicht wurde diese laut Suzuki durch variable Ventilsteuerzeiten. Das System nennt sich Suzuki Racing Variable Valve Timing (kurz SR-VVT) und die zugehörige Technik wurde aus der MotoGP-Entwicklung abgeleitete. Zusätzliche Unterstützung gibt es durch das S-DSI System, welches drehzahlabhängig die Länge der Ansaugtrichter variiert. Natürlich ist die GSX-R mit einer TC und verschiedenen Motor-Mappings ausgestattet, die Launch-Control und der Blipper sind aber dem R-Modell vorenthalten. Sehr schade.

Die neue GSX-R  1000 kommt in der Standardversion mit Big Piston Gabel und ohne Launch-Control und Blipper, dafür im schicken, an die MotoGP-Motorräder angelehnten Design

Die neue GSX-R 1000 kommt in der Standardversion mit Big Piston Gabel und ohne Launch-Control und Blipper, dafür im schicken, an die MotoGP-Motorräder angelehnten Design

Noch schlanker als gedacht ist das Design der GSX-R. Hierfür zeichnet sich nicht nur die sehr schlank geratene Front verantwortlich, sondern es ist vor allem der neue, fast unterdimensioniert wirkende Rahmen. Dieser ist nicht nur zehn Prozent leichter als der Vorgänger, sondern an der breitesten Stelle auch ganze 20 Millimeter schmaler. Die Sitzposition blieb von den reinen Messwerten her unverändert, durch den erheblich niedrigeren Tank wirkt die GSX-R aber gestreckter und es fühlt sich beim Probesitzen auch so an, als wird der Fahrer weiter nach vorne gespannt. Wie sich das Gesamtpaket im Fahrbetrieb anfühlt und wie viele Leistung das neue Triebwerk nun wirklich hat, erfahren wir hoffentlich bald.

Es gab aber noch eine weitere Gixxer Neuheit bei Suzuki, mit der neuen Einsteiger-GSX-R 125 aber am unteren Ende der Hubraum-Klassen. Die Baby-Gixxer fügt zwar nur über ein Achtel des Hubraums ihrer Gen-Spenderin, kommt aber mit LED-Licht, Keyless-Go und als leichtestes ihrer Klasse daher. Gar nicht mal schlecht. Der Form halber seien auch noch die neue GSX-S 750 (nackig, Nachfolgerin der GSR) und die neuen 650er und 1000 V-Strom Modelle erwähnt.

Ganz schön fett - Der Endtopf der neuen GSX-R ist wohl der dickste Superbike-Auspuff aller Zeiten und wirkt sogar größer als das zierlliche Heck der Suzuki

Ganz schön fett – Der Endtopf der neuen GSX-R ist wohl der dickste Superbike-Auspuff aller Zeiten und wirkt sogar größer als das zierlliche Heck der Suzuki

Yamaha

Die größten Erwartungen wurden im Vorfeld vermutlich durch Yamaha geschürt – und dann leider enttäuscht. Trotz Ankündigungsdatum vorab gab es am 4. Oktober auf der Intermot keine Neuigkeiten und Bilder zur neuen R6. Da trösteten auch die tollen Verkaufszahlen der neuen Modellpalette und die überarbeitete MT-10 SP nicht hinweg. Im Gegensatz zur normalen MT-10 ist die SP mit einem elektronisch gesteuerten Öhlins-Fahrwerk ausgerüstet und kommt mit einem Schaltautomat, einer neue Anti-Hopping-Kupplung sowie einem Farbdisplay. Nach dem Launch der MT-10 im Sommer kommt das Update reichlich früh, ist aber aufgrund der sportlichen Schwächen, die die MT in den verschiedenen Tests offenbart hat, nicht nur sehr willkommen, sondern vielleicht auch etwas Schadensbegrenzung.

Auch die erste ihrer Art, die MT-09 kommt 2017 als Neuauflage. Das Design ist an der MT-10 angelegt und folgt auch der neuen „Dark-Side-Philosophie“. Die nun aggressivere Optik wird durch eine flachere und kürzere Sitzbank unterstrichen, die den Fahrer 5 mm höher positioniert. Der Kraftschlusszwischen Getriebe und Motor wird beim 850 Kubikznetimeter großer Drilling wie bei der MT-10 jetzt ebenfalls durch eine Anti-Hopping Kupplung hergestellt, die man dank eines Schaltautomaten aber nicht mehr so oft bemühen muss. Auch hier ging es sonst eher um die wirklich „echten“ Motorräder wie die neue Tracer 700 und SCR 950.

Honda

Nachdem bei Triumph das sportlichste der Auftritt von Carl Fogarty war und sich bei KTM, nach einem kurzen Einblick ins MotoGP Projekt RC-16, alles um die Adventure Modelle drehte, ging es dann bei Honda wieder zur Sache. Nach dem obligatorischen Heritage Modell in Form einer neuen CB 1100 war es nach Jahren des Wartens endlich soweit – die neuen CBR 1000 RR wurde der versammelten Fachpresse vorgestellt. Zwar waren auch hier erst vor ein paar Tagen einige Fotos des neuen Modelles an die Öffentlichkeit geraten, nichtsdestotrotz konnte man die gespannte Vorfreude fast physisch spüren. Das war wohl nicht nur bei den angereisten Medienvertretern so. Auch der für die Präsentation eingeladene Nicky Hayden schien sich sichtlich über sein neues Arbeitsgerät zu freuen. Und es gibt gleich mehrfach Grund dazu, denn wie Kawasaki, Suzuki und Yamaha bei ihren Superbikes, bringt auch Honda ein Upgrade zum Basismodell und das mit einer SP und einer SP2-Version sogar in doppelter Form.

Die Standard-Blade wurde auf der Intermot leider noch nicht gezeigt, die edlen SP-Modelle konnte man aber schon bewundern

Die Standard-Blade wurde auf der Intermot leider noch nicht gezeigt, die edlen SP-Modelle konnte man aber schon bewundern

Zur Basis-Version ist noch nicht viel bekannt und es wurde auf der Intermot nur die SP und die SP2 gezeigt, diese lassen aber Gutes hoffen. Honda verspricht 8 kW mehr Top-End Power, was basierend auf dem aktuellen Modell ca. 192 PS entsprechen würde. Das ist zwar weit von der aktuellen Superbike-Hürde von 200 PS entfernt, in Kombination mit einer Gewichtsersparnis von 15 kg wird die Sache aber schon wieder sehr interessant. Das gilt auch für das semi-aktive Öhlins-Fahrwerk der SP Version. Darüber hinaus gibt es das volle Elektronik-Paket, einstellbarer Motorbremse inklusive. Was davon am Ende in der normalen CBR für den Normalverdiener ankommt, bleibt abzuwarten. Grund zur Vorfreude auf den ersten Test gibt es allemal.

Ducati

Vorfreude wurde am Ende des Tages dann auch noch am Stand von Ducati geweckt. Und kein geringerer als Ducati-Chef Claudio Domenicali persönlich präsentierte hier kurz vor Messeschluss die neue Ducati Supersport. Aber Achtung: auch wenn hier SUPERSPORT drauf steht, geht Ducati mit dem neuen Modell den Weg Richtung breite Masse und versucht den Spagat zwischen Eleganz, Performance and Alltag zu schaffen.

Ducati Chef Claudio Domenicali übernahm die Vorstellung der neuen Ducati Supersport (hier das S-Modell)

Ducati Chef Claudio Domenicali übernahm die Vorstellung der neuen Ducati Supersport (hier das S-Modell)

Entsprechend sind die Eckdaten und die Ausstattung. Durch den hohem Lenker ist die Sitzposition eher komfortabel als sportlich und das Gewicht mit 210 Kilogramm fahrfertig verspricht nicht nicht gerade extreme Agilität. Der 937 Kubikzentimeter große Testastretta-Twin wird zwar „nur“ 113 PS leisten, sollte mit einem Drehmoment von knapp 97 Nm bei 6500 U/min mit dem Motorrad aber keine Schwierigkeiten haben. Für den Fall, dass der Fahrer aber Probleme im Umgang mit dem Drehmoment hat, kommt die Supersport mit einer 8-stufigen Traktionskontrolle und einem 3-stufigen ABS. Wie bei Ducati üblich, gibt es die Supersport auch in einer S-Version, die gegenüber dem Normalversion durch ein Öhlins-Fahrwerk, den Ducati Quick-Shifter DQS und eine Sitzabdeckung aufgewertet wird. Einen etwas faden Beigeschmack hinterließ auf den zweiten Blick das Finish der Duc. Hier fielen vor allem unschöne bis hässliche Schweißnähte im Sichtbereich des Krümmers auf, die hoffentlich der Vorserien-Auspuffanlage des Präsentationsmotorrads geschuldet sind.

Nicht besonders elegant sind einige Schweißnähte am Sichtbereich am Krümmer der Ducati Supersport.

Nicht besonders elegant sind einige Schweißnähte am Sichtbereich am Krümmer der Ducati Supersport.

Das waren sie, die straßensportlichen Neuheiten der Intermot 2016 und es gibt so einiges, worauf man sich im kommenden Motorradjahr freuen kann. Aber die Messe hat auch eine weitere Erkenntnis hervorgebracht: Der Trend geht eindeutig zum weichgespülten Authentizitismus. Die Worte „Sport“ und „Racer“ sind zwar in aller Munde, aber hauptsächlich in Kombination mit den Schlagworten „Heritage“ und „Café“. Doch was ist an den ganzen Club-Custom-Café-Scramblern denn eigentlich noch authentisch? Die Individualisierung aus dem Zubehörkatalog des Herstellers bei der Online-Bestellung auf jeden Fall nicht. Oder ist das dann Hand-Crafted für die Generation Lumber-Sexual?! Wie dem auch sei, ich glaub, ich geh jetzt in die Garage und lackiere meine Rennverkleidung mit der Sprühdose. Das sieht am Ende vielleicht scheiße aus, ist dann aber tatsächlich MEIN Motorrad.

 

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