Stresstest

Am vergangenen Ostersamstag war es wieder soweit: alles, was im Zweiradbereich Rang und Namen hat, pilgerte ins badische Hockenheim und startete mit den „1000 Kilometer von Hockenheim“ in die Rennstrecken-Saison 2014. Die Veranstaltung hat sich in den vergangenen Jahren zum offiziellen Auftakt-Event der Motorsportgemeinde in Deutschland entwickelt und lockte auch in diesem Jahr wieder mehr als 70 Teams mit über 200 Fahrern ins Badische Mekka des Motorsport.

Ursprünglich als Endurance Challenge für Hobbyfahrer und Amateurpiloten ausgelegt, ist das Rennen seit 2013 auch der erste Lauf zum Deutschen Langstrecken Cup (DLC). Im Zuge dessen wurde nicht nur die Aufteilung der verschiedenen Leistungsklassen angepasst, sondern auch der Ablauf geändert. Statt mit einer Dauerprüfung und einem Sprintrennen zum Abschluss, wird das Event nun als echtes Langstreckenrennen über die volle Distanz von 1000 Kilometer ausgefahren. Waren früher noch viele „Spaßpiloten“ mit am Start, die sich auch mit Uralt-Racern oder Naked Bikes den Strapazen stellten, hat das Niveau durch die Änderungen, sowohl bei den Ambitionen der Fahrer als auch beim Material, deutlich angezogen.

Gehören einfach zusammen: Ostern und Racing

Gehören inzwischen einfach zusammen: Ostern und Racing

Der Attraktivität der Veranstaltung hat dies aber keinen Abbruch getan. Ganz im Gegenteil. Trotz des anfangs trüben und vor allem kalten Wetters, fanden sich schon früh am Morgen die ersten Motorsportfans ein und auch auf der Seite der Fahrer- und Teams ist das Event in Hockenheim fester Bestandteil der Saisonvorbereitung. Sind die 1000 Kilometer für die DLC´ler sowieso ein Pflichttermin, nutzen auch vielen Fahrer anderer Cups und Rennserien den Ostersamstag als Stresstest vor der eigentlichen Saison. Egal, ob R6 Cup, Suzuki GSX-R Cup oder auch IRRC, fast aus allen Bereichen sind Teams vertreten, um sich unter Rennbedingungen auf die kommenden Veranstaltungen einzuschießen.

 

Freud und Leid

Wie so oft war auch in diesem Jahre das Wetter Unsicherheitsfaktor Nummer Eins. Zwar lag Ostern in diesem Jahr extrem spät, nichtsdestotrotz begann der Renntag mit nur 4 Grad ziemlich ungemütlich. Auch die Wettervorhersage versprach keine rosige Veranstaltung. Denn ganzen Tag einstellige Temperatur und wechselhaftes Wetter sind alles andere, als entspannte Rahmenbedingungen für Motorradrennen.

Während des Trainings war es noch schattig.

Während des Trainings war es noch schattig.

Entsprechend unschön ging es los. Dank der Kombination aus eingerosteten Reflexen und Asphalttemperaturen knapp über 5 Grad wurden bereits kurz nach dem Start des Trainings die ersten Motorräder kaltverformt. Einige Fahrer gingen dabei so entschlossen zu Sache, dass das Training sogar unterbrochen werden musste.

Dass die Bedingungen nicht für alle ein wirkliches Problem darstellten, zeigte das Team ONLY4FUN mit Michael Galinski, Jörg Teuchert und Stefan Hesterberg. Die Jungs brannten schon im Training 1:46er Zeiten in den kalten Asphalt und sicherten sich damit den Platz an der Sonne und Startposition eins.

Apropos Sonne – Allen Unkenrufen zum Trotz hatte Petrus dann doch ein Einsehen und schickt pünktlich zum Start des Rennens blauen Himmel, Sonnenschein und angenehme, zweistellige Temperaturen. Die kamen natürlich nicht nur den Fahrern zu Gute, sondern lockten auch jede Menge Zuschauer nach Hockenheim. Schon vor dem Mittag waren Fahrerlager und Tribünen sehr gut besucht und was die Besucherzahlen angeht, müssen sich die „1000 KM“ 2014 sicher nicht hinter den Veranstaltungen der IDM verstecken. Die Messlatte liegt auf jeden Fall schon mal hoch.

Besser geht es nicht. LeMans Start bei strahlendem Sonnenschein.

Besser geht es nicht. LeMans Start bei strahlendem Sonnenschein. (Foto: Photo by FC)

Doch das Interesse kommt natürlich nicht von ungefähr. Wer den deutschen Zweiradmotorsport ein wenig verfolgt, für den sind die bereits erwähnten Michael Galinski und Jörg Teuchert natürlich keine Unbekannten. In diesem Jahr trugen die 1000 Kilometer aber sogar etwas weltmeisterlichen Glanz, denn Ex-MotoGP- und KTM-Entwicklungsfahrer Jeremy McWilliams gab sich ein Stelldichein und bestritt die 1000 KM mit Thomas Kuttruf und Oli „Rakete“ Schmidt auf der neuen KTM Superduke 1290 R.

 

Spannend bis zum Schluss

Wer jetzt aber meinte, dass das Rennen dadurch schon vor dem Start entschieden war, wurde eines Besseren belehrt. Zwar knallte der gute Jeremy unverkleidet und aufrecht sitzend beängstigende 1:47er Zeiten ins Hockenheimer Rund, um den Sieg konnte das Team „KTM BEAST BOYS“ aber leider nicht mitkämpfen. Der GrandPrix-Gewinner aus Nordirland war nämlich nicht nur für die schnellsten KTM-Runden verantwortlich, sondern feuerte das Mattighofener Brenneisen auch nach gut einem Drittel der Renndistanz ins Kiesbett. Roß und Reiter kamen zwar fast unversehrt davon, die anschließenden Instandsetzungsarbeiten vereitelten aber ein weiteres Eingreifen in den Kampf um den Sieg in Klasse 1.

Ex-GrandPrix-Pilot Jeremy McWilliams ließ sich auch von einem Abflug die Laune nicht verderben.

Ex-GrandPrix-Pilot Jeremy McWilliams ließ sich auch von einem Abflug die Laune nicht verderben.

Den machten dafür die Teams „msd-steeldesign.de“ mit  Onno Bittner, Dierk Mester und Kevin Schmitt sowie das „ASR BMW RR Power Team“ mit Lorenz Sennhauser und Daniel Kaufmann unter sich aus – und das extrem spannend und unglaublich knapp. Einige Gelb- und Safety-Car-Phasen während des Rennverlaufs sorgten dafür, dass die Teams immer wieder zusammenrückten und hielten den Ausgang bis zur sprichwörtlich letzten Sekunde offen. Nach 219 Runden und 1000 gefahrenen Kilometern trennten die beiden Teams gerade einmal die Winzigkeit von 0,579 Sekunden und auch das drittplatzierte Team „MCA Racing“ (Schmidt/Ramp/Preussler) lag nur gut 51 Sekunden dahinter. So knapp war es wohl noch nie!

Trotz des extrem knappen Rückstandes auf das Team msd-steeldesign.de wirkt Lorenz Sennhauser alles andere als unglücklich unter seinem Helm.

Trotz des extrem knappen Rückstandes auf das Team msd-steeldesign.de wirkt Lorenz Sennhauser alles andere als unglücklich unter seinem Helm.

Aber auch in Klasse 2 war es spannend bis zum Schluss.  Das „Continental Racing Team“ (Bigge/Bounoua/Stadler) sichert sich hier zwar den ersten Platz, aber das Team „ADAC Pfalz“ (Reichenecker/Pelzl/Ellmaurer) kämpfte bis zum Schluss und beendete die 1000 Kilometer in der gleichen Runde wie die Gruppenersten um Malte Bigge. Erheblich eindeutiger war die Sache in Klasse 4. Diese „echte“ Endurance Klasse, in der sich 3 Fahrer ein Motorrad teilen, konnten Martin Scherrer, Timo Paavilainen und Franck Gaziello vom Team „Motobox Kremer Racing“ für sich entscheiden. Ihr Vorsprung betrug dabei komfortable 4 Runden vor den Zweitplatzierten Sunny Koenen, Matze Müller und Jochen Schermuly vom „MSC PORZ ENDURANCE RACING TEAM“. Den dritten Rang holten Henrik Kaiser, Rainer Bäcker und Martin Mockenhaupt vom Team „Frostbeulen Racing“.

So sehen Sieger aus! Onno Bittner, Dierk Mester und Kevin Schmitt vom Team msd-steeldesign dürfen auch 2014 den Pokal für den Gesamtsieg mit nach Hause nehmen.

So sehen Sieger aus! Onno Bittner, Dierk Mester und Kevin Schmitt vom Team msd-steeldesign dürfen auch 2014 den Pokal für den Gesamtsieg mit nach Hause nehmen.

 

Team Bornhäusser Motorsport

Unter besondere Beobachtung von asphalt-süchtig.de stand natürlich das Team Bornhäusser Motorsport mit den Fahrern Marc Bornhäusser, Daryl Dörlich und Stefan Höfle. Wie für viele andere Teilnehmer auch, war hier das Rennen am Ostersamstag der letzte Test, bevor es in den kommenden Wochen in den verschiedenen Rennserien richtig ernst wird. Für Marc und Daryl stehen am 3. und 4. Mai die ersten Läufe zur International Road Racing Championship an und wie könnte man dem Material noch einmal besser auf den Zahn fühlen, als während eines Langstreckenrennen?

Und es gab da ja noch einen Titel zu verteidigen. Die Mannen um Borni waren bei den 1000 Kilometer schon häufiger erfolgreich und nach dem sich das Team 2013 beim ersten Rennen unter DLC Reglement den Sieg in Klasse 3 sichern konnte, sollte der Erfolg in diesem Jahr natürlich wiederholt werden.

Doch auch hier haderten die drei Fahrer anfangs etwas mit den unterkühlten Bedingungen. Ein gutes Gefühl für die Strecke wollte nicht aufkommen und bei keinem stellte sich während des Trainings der richtige Rhythmus ein. Mehr als Startplatz 19 fürs Rennen war daher leider nicht drin. Hinzu kam, dass an Marcs Motorrad der Fehlerteufel sein Unwesen trieb. Erst verhinderte ein defekter Schaltautomat ungestörte Trainingsrunden und als wäre das nicht genug, viel am Ende des Trainings noch Öl am Motorblock auf. Die Ventildeckeldichtung war undicht und entließ ungehemmt braunes Schmiermittel ins Freie. Zwar konnte das Problem schnell behoben werden, das komplette Warm-Up ging aber fürs Schrauben drauf.

Nicht Blut sondern ölverschmiert waren die Hände nach der Not-OP an der waidwunden R6

Nicht Blut sondern ölverschmiert waren die Hände nach der Not-OP an der waidwunden R6

 

Versöhnlich wurde es dann zum Rennbeginn. Nachdem im letzten Jahr das Motorrad beim LeMans-Start nicht anspringen wollte, funktionierte dieses Mal alles reibungslos und Startfahrer Marc konnte sich sogar direkt auf Platz 10 verbessern.

Von nun an lief alles wie am Schnürchen. Die Jungs spulten ihr Runde ab, hielten sich von allem Ärger fern und konnten sich schnell die Führung in Klasse 3 sichern. Da das Team 2WAM Racing schon früh mit ersten, technischen Probleme zu kämpfen hatten, verloren die zu den Favortien zählenden Thomas Kreutz, Torben Reuels und Stefan Wauter leider schnell den Anschluss in Klasse 3. Auch Christoph Pudlo, Mario Mantai, Florian Pfanzelt von HMC Racing, die ebenfalls zu den Siegfahrern zu rechnen waren, konnten nicht bis zum Ende mitziehen.

Dass bei Langstreckenevents auch Glück ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hat, zeigte sich, als Stefan Höfle aus seiner letzten Rennrunde in die Box zurückkam. Während der Fahrt war ihm zwar noch nichts aufgefallen, beim Abstellen des Motorrads stellte er aber fest, dass nun auch sein Motor mächtig Öl abdrückte. Ein Ausfall wäre nur eine Frage der Zeit gewesen. Doch so konnte das Team auch in den letzten Turn des Tages starten und nicht nur den 9. Gesamtrang nach Hause fahren, sondern auch zum zweiten Mal in Folge den ersten Platz in Klasse 3 sichern.

Klasse 3

 

Verwunderlich

Auch in diesem Jahr waren die 1000 Kilometer von Hockenheim wieder ein echtes Highlight zum Saisonbeginn. Bei bestem Wetter wurde auch 2014 wieder großartiger und spannender Motorsport in all seinen Facetten geboten, der in dieser Form nicht nur auf Fahrerseite Lust auf mehr macht, sondern auch für das Publikum ein extrem unterhaltsame Veranstaltung bietet. Viele Stunden Renn-Action und offene Boxen, in denen auch mal ein kurzes Gespräch mit den Teams möglich ist, sind einfach Gold wert, will man auch in Zukunft die Zuschauer für diese Art des Motorsports begeistern.

Aber wo Licht ist, gibt es immer auch Schatten. Es ist mir auch dieses Mal wieder unerklärlich, weshalb der Streckenbetreiber keine kostengünstige Nutzung der Lautsprecheranlage ermöglichte. Motorradrennen machen als Zu“schauer“ live auf der Tribüne viel Spaß, aber ich möchte natürlich auch wissen, wie sich das Renngeschehen entwickelt und was gerade in anderen Streckenabschnitten passiert. So erlebe ich das volle Programm Rennsport und komme vielleicht auch zu Veranstaltungen wieder, die ich bisher noch nicht kannte oder live erlebt habe. Ohne einen vernünftigen Streckensprecher fehlen einem diese wichtige Eindrücke. Und als Betreibergesellschaft sollte man doch eigentlich dran interessiert sein, dass die Gäste vor Ort alles bekommen, was zu einer vernünftigen Veranstaltung dazu gehört. Man will seine Tribünen ja auch abseits der Formel 1 gut besucht sehen.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.