Honda CB1000R – Alles auf Anfang

Die Motorradwelt hat sich seit dem Jahrtausendwechsel vor allem aus sportlicher Sicht grundlegend verändert. Während Ende der Neunziger und auch noch zu Beginn des neuen Millenniums die Supersportler die Zugpferde der japanischen Hersteller waren, nahm das Kundeninteresse an diesem Segment nach und nach ab. Mit einer im Vergleich zu den Superbikes sprichwörtlichen Verschlechterung des Preis/Leistungsverhältnisses ging es erst den Sechshundertern an den Kragen, später ließ auch die Strahlkraft der Superbikes nach. Die Hersteller versuchten zwar, mit immer radikaleren und leistungsstärkeren Konzepten gegenzusteuern. Die dadurch steigenden Preise und die parallel abnehmende Alltagstauglichkeit sorgten aber dafür, dass die technischen Speerspitzen bei den Verkaufszahlen nur noch eine sehr untergeordnete Rolle spielten. Eine Lösung musste her.

Hondas Antwort auf die geänderten Kundenwünsche kam im Jahr 2008 und hieß CB1000R. Befeuert vom auf Landstraßentauglichkeit optimierten Aggregat des tausender Superbikes leistete sie 125 PS und eroberte als Power-Naked mit Einarmschwinge, kleiner Lampenmaske und kurzem Heck die Herzen der Honda-Fans im Flug.

In diesem Jahr folgte nun die Neuauflage und auch die 2018er CB1000R ist das Ergebnis eines neuen Trends und geänderter Kundenwünsche. Woher die Inspiration für das angepasste Konzept kam, verrät bereits der neue Modellreihenname „Neo Sports Café“ in die die aktuelle CB 1000 R fällt. Die sportliche Komponente ist hier zwar noch enthalten, die Neue spiegelt aber auch die starken Einflüsse der Café Racer Szene wieder, die den Markt in den letzten Jahren stark beeinflusst hat. Wie groß dieser Einfluss ist, sieht man auf den ersten Blick.

Puristisch: Die 2018er CB1000R wurde komplett neu gestaltetet und im Design aufs Wesentliche reduziert.

Fahrmaschine

Eigentlich ist Honda ja nicht gerade dafür bekannt, bei Konzept und Design besonders experimentierfreudig zu sein oder gar Risiken einzugehen. Bei der Gestaltung der neuen CB hat man sich aber eine Menge getraut und ist dabei nicht nur in eine völlig neue Richtung gegangen, sondern hat vor allem eins getan: Dinge weggelassen. Herausgekommen ist eine aufs Wesentliche reduzierte Fahrmaschine, deren Verwandtschaft zur Vorgängerin kaum noch auszumachen ist. Lediglich die Einarmschwinge erinnert auf den ersten Blick noch an das alte Modell.

Als Basis dient zwar immer noch das Aggregat der 2006er Fireblade, das Drumherum ist aber völlig neu. Das fängt beim nun runden Scheinwerfer mit LED-Leuchtmitteln an, setzt sich über den völlig neugestalteten Tank fort und endet am Heck, welches die Griffe für den Sozius zwar immer noch als Vertiefungen an den Seiten trägt, nun aber im neuen Look und ohne Kennzeichenhalter daherkommt. Letztgenannter ist jetzt an der Schwinge montiert und erinnert stark an den der Yamaha MT-09.

Auf den zweiten Blick fallen dann auch die Details auf, die dem Auftritt der Neuen die puristische Note geben. Honda verzichtet bei der 2018er CB auf die Plastikabdeckungen an Kühler, Tank, Rahmen und unter dem Fahrersitz und setzt stattdessen auf Metallapplikationen, die sich perfekt ins Gesamtbild einfügen und das Motorrad deutlich wertiger wirken lassen als die Vorgängerin. Das trifft auch auf die Auspuffanlage und den neuen Endtopf zu.

Auch die neue CB1000R gewährt einen freien Blick auf die hintere Felge. Der Kennzeichenhalter ist nun an der Einarmschwinge befestigt und erinnert an die MT-09.

Typisch Honda

Auch wenn die Optik eine andere Sprache spricht, beim ersten Sitzkontakt spürt man dann doch die Honda. Und das ist hier durch und durch positiv zu verstehen. Die neue CB kommt zwar mit einem 12 Millimeter breiteren und 13 Millimeter höheren Lenker, einem schmaleren Tank und platziert den Reiter nun etwas höher – die Sitzhöhe ist um 5 Millimeter auf nun 830 Millimeter angewachsen – Hände und Füße finden aber immer noch wie von selbst zu Lenker und Rasten. Alles fühlt sich so vertraut an, als wäre man das Motorrad schon 1000 Mal gefahren. Typisch Honda eben. Und auch bei Hebeln und Schaltern gibt sich die Neue keine Blöße. Alles ist leichtgängig, lässt sich intuitiv bedienen und sitzt genau da, wo es hingehört. Immer wieder unverständlich ist aber, wieso es Honda nicht schafft, neben dem Brems- auch den Kupplungshebel in einer einstellbaren Variante zu verbauen. Wie bei Kawasakis unansehnlichen und überall verbauten Achsmutter-Sicherungssplint-Kombi könnte man auch bei Hondas Festhalten am nicht einstellbaren Kupplungshebel vermuten, dass es sich entweder um eine grausame Tradition handelt, oder sich ein Einkäufer bei der Bestellung mal um zwei, drei Nullen vertan hat. Dank der neuen Assist-Kupplung mit Anti-Hopping-Funktion werden Stummel- wie auch Langfinger beim Griff zum Hebel aber durch tadellose und leichtgängige Funktionsweise entschädigt. Aber nicht nur die Kupplung weiß zu überzeugen.

Stilbruch: Statt Plastikabdeckung im Alien-Style setzt Honda bei der neuen CB auf einen klassischen Rundscheinwerfer mit modernen LED-Leuchten.

Nimmt man mit der CB Fahrt auf, setzt sich direkt das Vertrautheitsgefühl fort, das sich bereits beim ersten Sitzkontakt eingestellt hat. Wie schon die Vorgängerin platziert die aktuell CB den Fahrer kommod-sportlich, die Sitzposition ist aber weniger auf Attacke getrimmt als bei der Vorgängerin. Das verhält sich beim Motor anders. Das Triebwerk wurde für das Modelljahr 2018 deutlich überarbeitet und hier legte Honda das Hauptaugenmerk auf den Gasdurchsatz des Reihenvierers. Für die bessere Beatmung wurden Airbox, Luftzuführung und Luftfilter überarbeitet, die Drosselklappen um stolze acht Millimeter vergrößert (nun 44 Millimeter) und der Hub der Einlassventile von 7,9 auf 8,5 Millimeter erhöht. Damit das zusätzliche Gemisch auch besser verarbeitet wird, wurden die Brennräume optimiert und auch die Auslassventile öffnen nun weiter. Das Ergebnis der Leistungskur kann sich sehen lassen. Mit 145 PS kredenzt der Motor nun ganze 20 PS mehr als in der Alten. Aber es stehen nicht nur mehr Pferde im Stall, auch beim Thema Drehmoment hat das Flaggschiff der neuen Neo Sports Café Rubrik zugelegt und stellt nun bei knapp über 8.000 Touren amtliche 104 Newtonmeter zur Verfügung.

20 Prozent

Und die spürt man auch. Schon kurz hinter dem Ortsschild lupfte die CB bei der ersten Ausfahrt frech das Vorderrad und zauberte dem Fahrer ein Lächeln auf die Lippen. Ob da doch mehr Sport und weniger Café drinsteckt, als erwartet?! Die nackten Zahlen sprechen eigentlich dafür. Den die japanischen Ingenieure haben der CB nicht nur 20 zusätzliche PS spendiert, sondern an Rahmen, Auspuff und Felgen auch überflüssige Pfunde abgespeckt. Das Ergebnis: Trotz Euro 4 und ABS ist die Neue nun ganze 12 Kilogramm leichter, das Leistungsgewicht um 20(!) Prozent verbessert. In Kombination mit der nun kürzeren Übersetzung ist es da kein Wunder, dass die CB ständig vor Freude das Vorderrad in die Luft streckt. Dank des fein ansprechenden E-Gas lässt sich die Leistung auch sauber und kontrolliert abrufen. Sollte es aufgrund äußerer Umstände doch mal zu viel des Guten sein, lässt sich die Leistung – Elektronik sei Dank – auch per Knopfdruck herunterregeln.

Goldstück: Mit den nun 145 PS ist das Triebwerk der CB1000R nun eine echte Landstraßengranate.

Auch hier zeigt sich die CB eher von der sportlichen Seite. Die Leistungsabgabe sowie die Empfindlichkeit der Traktionskontrolle und der elektronischen Motorbremse sind an die drei wählbaren Riding Modes „Sport“ (volle Brause), „Standard“ und Rain (Safety first) geknüpft. Obwohl im Standard-Modus die Motorleistung im 1. und 2. Gang leicht gekappt wird, lässt die CB auch in dieser Einstellung noch Wheelies und deutlichen Schlupf am Hinterrad zu. Wem die drei gebotenen Werkseinstellungen nicht taugen, der kann sich im User-Modus seine Lieblingskonfiguration zusammenstellen und die Traktionskontrolle auch komplett abschalten.

Aber bereits der Sportmodus sorgt bei trockenen Bedingungen für maximalen Fahrspaß. Wie zu erwarten, fühlen sich Fahrer und Motorrad dabei auf klassischen Land- und Nebenstraßen am wohlsten. Hier kann die CB Ihre Qualitäten voll ausspielen. Dank des breiten Lenkers und der kommod-sportlichen Sitzposition zirkelt man die CB mit Leichtigkeit auch durch enge Radien und genießt dann beim kurzen Zwischensprint den nun kräftigeren Motor. Dieser legt ab 6.000 Touren nochmal deutlich Kohlen nach und katapultiert Mann und Maschine Richtung nächste Kehre. In seiner Charakteristik erinnert der Antrieb so ein wenig an den Crossplane-Motor von Yamahas MT-10. Ist die Gerade mal etwas länger, kann man sich auch noch am toll gestuften Getriebe erfreuen, dass sich in der Standard CB1000R auch ohne Quickshifter hervorragend bedienen lässt.

Traumkombi: Bei griffigem Asphalt und engen Landstraßen ist auf der CB1000R Fahrspaß garantiert.

Am Bremspunkt angekommen, gibt es den nächsten Grund zur Freude. Denn auch die Bremsen der CB sind eher supersportlich denn Café-racig. Die radial verschraubten Tokico-Sättel nehmen die 310er Scheiben mit Nachdruck in die Zange und selbst im Soziusbetrieb sind die Stopper im Zwei-Finger-Betrieb über jeden Zweifel erhaben. Besonders erfreulich: auch die Hinterradbremse verzögert deutlich spürbar mit und dient nicht nur zur Erzeugung von Bremsstaub. Grund dafür ist die beachtliche Dimensionierung. Hier werkelt nämlich kein Ein-Kolben-Schwimmsattel, hier übertragen gleich zwei Kolben den Bremsdruck auf eine 256er Scheibe.

Ein Schuss Café

Zwei Dinge sind beim sportlichen Einsatz auf der CB aber zu beachten. Zum einen sollte das Geläuf nicht zu schlecht ausfallen. Das Fahrwerk der CB1000R glänzt zwar mit einer voll einstellbaren Showa Big Piston Gabel und auch das Federbein lässt sich in Zug- und Druckstufe sowie Federvorspannung einstellen, hundert Prozent ausbalanciert agieren die Federelemente aber nicht. Ist der Belag pockennarbig und leitet kurze Stöße ins Fahrwerk, könnte dieses zuweilen etwas sensibler agieren. Bei längeren Bodenwellen zeigt sich erstaunlicherweise teils das gegenteilige Bild. Hier dürfte die Dämpfung etwas straffer sein. Daneben ist besonders in langen Radien bei Vollgas-Einsatz ein sensibles Händchen gefragt. Lädt man beim Herausbeschleunigen aus moderater Schräglage voll durch, kann es dazu kommen, dass man leichte Unruhe ins Motorrad leitet. Durch die doch eher aufrechte Sitzposition mit hohem Lenker und flachem, aber schmalem Tank ist es beim harten Beschleunigen schwierig, sich optimal auf dem Motorrad zu positionieren, ohne dabei Störimpulse zu verursachen. An dieser Stelle zeigt sich dann doch die Café-Komponente der CB1000R.

Empfindlich: Gibt man der CB die Sporen, reagiert sie zuweilen mit leichter Unruhe.

 

Schöner Kompromiss

Honda traut sich was. Mit der Neuauflage der CB1000R gehen die Japaner nicht nur stilistisch sondern auch konzeptionell einen völlig neuen Weg und begründen mit der Neo Sports Café Modellreihe eine eigene Rubrik. Das Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen. Nicht nur das nun sehr puristische Design steht der neuen CB sehr gut zu Gesicht, auch die Technik weiß zu überzeugen. Der überarbeitete Motor ist ein echtes Kraftwerk mit viel Punch aus der Mitte und das e-Gas und die Elektronik machen die Leistung in allen Lebenslagen kontrollierbar. Die tollen Bremsen runden das Technikpaket ab. Schade nur, dass die 12.995 Euro teure Standard-Version ohne Schaltautomat ausgeliefert wird. Wer diesen ab Werk möchte, muss zur 1.490 Euro teuren Plus-Variante greifen. Dann gibt es aber auch noch Heizgriffe, Alu-Kotflügel sowie eine Instrumenten- und Soziusabdeckung dazu. Viel schöner kann der Kompromiss zwischen Power-Naked und Café Racer dann wohl nicht ausfallen.

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