Triumph Speed Triple RS – Mehr als Feinschliff

Das Bessere ist des Guten Feind. Das wusste bereits Philosoph und Aufklärer Voltaire im frühen 18. Jahrhundert. Auch Triumph schickte sich im vergangenen Jahr an, die bereits sehr gute Triumph Speed Triple R weiter zu verbessern und lancierte mit der neuen RS die Nachfolgerin des bisherigen, sportlichen Top-Modells.

Optisch hat sich im Vergleich zur Vorgängerin nicht viel getan, die Änderungen unter der Oberfläche und im Detail machen die überarbeitete Speed Triple aber zu einer echten Landstraßenwaffe. Wie am zusätzlichen „S“ in der Typenbezeichnung zu erahnen, nahmen sich die Briten für das Update die Street Triple RS als Vorbild. Vor allem im Cockpit erkennt man die Ähnlichkeit zur kleinen Schwester. So trägt auch die Speed Triple jetzt das feine fünf Zoll TFT-Display der Streety und kommt nun mit der vollen Bandbreite an elektronischen Helferlein, die Triumph mit der Street Triple RS 2017 einführte.  Neben der individualisierbaren Displayanzeige (3 Standard-Designs plus 3 für die RS) lassen sich bei der Standard-Speedy über den Bordcomputer nun auch vier verschiedene Fahrmodi einstellen. Wie bei der kleineren Street Triple gibt es jetzt auch bei der RS-Version der Speed Triple zusätzlichen noch einen User-Mode für die Rennstrecke. Hier lassen sich auch Traktionskontrolle und das ABS für den Hartgas-Einsatz komplett abstellen. Mehrwert gegenüber der kleinen Schwester und der Vorgängerin: dank einer neuen IMU (Trägheitsmesseinheit), die in Zusammenarbeit mit Continental entwickelt wurde, ist das ABS sogar kurventauglich und die Traktionskontrolle soll in allen Fahrzuständen noch besser agieren.

Optisch fallen die Änderungen an der neuen Speed Triple RS kaum auf. Im direkten Kontakt wird die Entwicklung aber mehr als deutlich.

Ride Connected

Gesteuert werden die Funktionen nun auch bei der Speedy über einen 5-Wege-Joystick an der linken Lenkerarmatur. Im Gegensatz zu Street Triple sind die Schaltereinheiten nun aber von innen beleuchtet. Ebenfalls neu ist der Tempomat, der auf langen Etappen für mehr Komfort sorgen soll. Grundsätzlich verfügt die Infozentrale der großen Speedy nun über alle Spielereien, die man sich aktuell nur wünschen kann. Das hervorragend ablesbare Display versorgt den Fahrer nicht nur mit netten Zusatzinformationen wie Außentemperatur, Momentanverbrauch und Restreichweite, es passt auf Wunsch auch den Kontrast den Lichtverhältnissen an und verfügt in der Speed Triple RS sogar über einen Laptimer.

Als wäre das nicht genug, legt Triumph 2019 noch einmal nach. Um die Möglichkeiten noch besser auszunutzen, gibt es ab Januar für die Speed Triple (und alle Modelle mit TFT-Display) das TFT-Connectivity-System. Mittels eines optional erhältlichen Bluetooth Moduls und der „My Triumph App“ lässt sich so in Zukunft auch das Smartphone mit dem Motorrad koppeln. So kann man über eine Google Maps Integration via Handy navigieren und sich die Routenhinweise im Motorraddisplay anzeigen lassen, über die Armaturen des Motorrads die Musikwiedergabe des Smartphones steuern und – sofern gewünscht – Anrufe annehmen. Wer seine Touren oder Rennstreckenausflüge auch mit der GoPro Action-Cam festhält, kann auch diese über das Modul mit dem Motorrad verbinden und über die Armaturen steuern.

Die Speed Triple kommt jetzt auch mit einem 5 Zoll TFT-Display. Mit dem optional erhältlichen Triumph Bluetooth-Modul lässt sich dieses auch mit dem Smartphone koppeln und via Goopgle Maps um eine Navigationsanzeige erweitern (unten links).

Evolutionsstufe

Aber nicht nur bei der Elektronik hat Triumph nachgelegt. Das Aggregat der aktuellen Speed Triple gleicht optisch der Vorgängerin zwar wie ein Ei dem anderen, innerhalb des schwarz lackierten Motorgehäuses haben die Briten aber an den neuralgischen Stellen ordentlich Hand angelegt. Der Drilling bekam nicht nur einen neuen Zylinderkopf mit optimierten Auslasskanälen, die Ingenieure aus Hinkley spendierten dem Drilling auch leichtere, Nikasil-beschichtete Aluminium-Zylinderlaufbuchsen und Kolben mit neuem Profil.

Zusätzlich wurde auch der Kurbeltrieb erleichtert sowie ein kleinerer Anlassermotor, eine leichtere Lichtmaschine und eine leichtere Batterie verbaut. Darüber hinaus wurden die Verdichtung und die Maximaldrehzahl erhöht. In Summe sorgen diese Änderungen laut Triumph für ein Leistungsplus von 10 PS, sodass die neue Speedy nun bei 10.500 Umdrehungen 150 PS leisten soll. Noch interessanter ist aber die Drehmomentausbeute. Auch hier soll die Speedy noch mal zugelegt haben und in der Ausbaustufe 2018/19 bereits bei knapp über 7.000 Touren stattliche 117 Newtonmeter drücken. Wenn das nicht nach Spaßpotential für die Landstraße klingt!

Praktisch und schick: Die Speed Triple RS kommt ohne Zündschloss und mit Keyless-Go System.

Detailverliebt

Doch schon bevor man sich mit der Triumph das erste Mal ins Kurvengetümmel stürzt, gibt es eine handfeste Überraschung. Den wider Erwarten erfolgt der Zugang zum Glück nicht über einen normalen Motorradschlüssel, sondern in Form eines Senders mit Klappschlüssel, wie man ihn eher bei einer Mittelklassenlimousinen erwarten würde. Dieser wirkt zwar dank Metalloberfläche edel, fällt aber etwas globig aus. Glücklicherweise muss das Ding nicht ins Zündschloss. Auf dieses verzichtet Triumph bei der Speed Triple RS komplett und setzt bei der neuen stattdessen erstmals auf ein Keyless-Go-System. Wie aus dem Vierradbereich gewohnt, reicht es, den Schlüssel am Mann zu tragen. Ein kurzer Druck auf den Power-Knopf und Display sowie Elektronik der Triumph erwachen zum Leben. Danach nutzt man wie gewohnt den Anlasser, um auch den Drilling in seinen Betriebszustand zu versetzen. Wer sich jetzt fragt, wie man ohne Zündschloss das Lenkerschloss einrastet – auch das geschieht elektronisch und auf Knopfdruck. Einzig für den 15,5 Liter großen Tank muss man tatsächlich noch den Schlüssel bemühen.

Wie so oft bei solchen Neuerungen fragt man sich am Anfang, was dieser Schnickschnack eigentlich soll. Spätestens bei der dritten Fahrt hat man sich aber daran gewöhnt und wundert sich bei der fünften, wie man vorher überhaupt ohne ausgekommen konnte. Und überhaupt: wieso gibt es noch keine schlüssellose Lösung fürs Tanken?!

Keine Eingewöhnungszeit bedarf die Ergonomie der Triumph. Schon die Vorgängerin war beim Thema Landstraßensitzposition sowie Bedienerfreundlichkeit über jeden Zweifel erhaben und auch die neue gibt sich nicht den Hauch einer Blöße. Hier passt einfach alles. Das fängt beim angenehm breiten, perfekt gekröpften Lenker an, setzt sich über den Knieschluss fort und hört beim optimalen Abstand zwischen Sitz (825 mm Sitzhöhe) und Rasten nicht auf. Denn es sind die Details, die schon vor Fahrtantritt, spätestens auf den ersten Metern dieses angenehme „Zu Hause Gefühl“ ermöglichen. Da sind die einstellbaren Kupplungs- und Bremshebel, die im Fall des Bremshebels sogar das Justieren des Übersetzungsverhältnisses zulassen. Da ist das Sitzpolster, das zwar angenehm straff ausfällt, dabei aber so ausgelegt ist, dass es auch auf lange Etappen noch den nötigen Komfort bietet. Und da sind die Armaturen, die nicht nur gut zu bedienen, sondern nun auch von innen beleuchtet sind. Nur für den Fall, dass man doch mal bei Dunkelheit den passenden Schalter sucht. Apropos beleuchtet: wie schon bei der Street Triple machen auch die Doppelscheinwerfer der Speedy einen tollen Job. Kaum ein anderes Motorrad in dieser Klasse leuchtet die Straße so gut aus.

Leuchtstark – über das Design der Speed Triple Scheinwerfer lässt sich streiten, über die Lichtausbeute nicht.

Ein Fest der Sinne

Doch das sind nur die Verlockungen des Ersteindrucks. Nimmt man mit der Speedy ordentlich Fahrt auf, zeigt die Neue erst richtig, was für ein hervorragendes Landstraßenmotorrad sie tatsächlich geworden ist. Der 1050 Kubikzentimeter große Dreizylinder war in der Vorgängerin alles andere als träge und unkultiviert, was aber nun passiert, wenn man am hervorragend abgestimmten E-Gas dreht, ist vom Allerfeinsten. Schon knapp über Standgasdrehzahl drückt der Drilling sauber und kräftig an und dreht dabei so schnell Richtung Begrenzer, dass man selbst mit dem obligatorischen Quickshifter kaum mit dem Schalten hinterherkommt. Entscheidet man sich bei niedrigen Drehzahlen für einen konventionellen Gangwechsel, freut man sich über die leichtgängige Kupplung und das sauber zu schaltende Getriebe.

Bemerkenswert ist auch, wie linear, ja fast unspektakulär der Motor seine Leistung entfaltet. Dass dieser Eindruck trügt, merkt man immer dann, wenn die Speedy beim Zwischensprint aus mittleren Drehzahlen das Vorderrad lupft oder beim schnellen Ausscheren mit weit geöffneten Drosselklappen kurz mit dem Lenker zuckt. Einfach großartig, wie viel Spaß die Speedy am Gas macht, auch wenn hier ab und an ein Lenkungsdämpfer wünschenswert wäre. Diesen macht der Klang der RS aber schnell wieder vergessen und verpasst dem Gesamterlebnis Motor noch das akustische i-Tüpfelchen. Auch die Speed Triple muss natürlich die Euro4-Regelung einhalten, es ist aber immer wieder beeindruckend, welch lauten und sonoren Sound die beiden Arrow-Endtöpfe der Speed Triple RS in die Umgebung entlassen.

Als RS-Variante macht die Speed Triple sich auch auf der Rennstrecke ein gute Figur, ihr eigentliches Jagdgebiet sind aber Land- und Nebenstraßen.

Aber nicht nur am Gas ist die Speedy ein Fest für die Sinne. Auch auf der Bremse bietet sie selbst sensiblen Zeitgenossen keinen Grund zur Beschwerde. Das liegt zum einen an den superben Stoppern aus dem Hause Brembo. Die Kombination aus den radial verschraubten M4.34 Blöcken, den 320er Scheiben und der radialen Bremspumpe lassen auch bei harten Verzögerungsorgien keine Wünsche offen.

Einen großen Teil zum formidablen Bremserlebnis trägt aber auch die Öhlins NIX 30 Gabel bei. Dank deren Sensibilität kommt es einem selbst mit dem hohen und breiten Lenker der Speed Triple so vor, als hätte man nicht den Lenker, sondern direkt die Vorderachse in der Hand. Ein Gefühl, dass man sonst eigentlich nur von Supersportlern kennt. Besonders bemerkenswert: funktionieren sowohl die Gabel als auch das TTX 36 Federbein auf perfektem Asphalt schon sehr gut, überzeugen sie vor allem auf kleinen Nebensträßchen mit schlechtem Belag. Zwar sind die Öhlins-Elemente eher für den sportlichen Einsatz gedacht, die Grundabstimmung ist aber so gut gelungen, dass sie vor allem bei zügiger Gangart auf schlechtem Untergrund ihre eigentlichen Qualitäten zeigen.

Glänzendes Duett: Die Kombination aus Öhlins Federelementen und Brembo-Stoppern ist über jeden Zweifel erhaben.

Nicht leicht, aber leichtfüßig

Auch beim Fahrverhalten ist es ihre Ausgewogenheit, mit der die Speed Triple glänzen kann. Das RS-Modell ist zwar Dank der Auspuffanlage und dem Carbon-Zierrat drei Kilogramm leichter als die Standard-Variante, mit 189 Kilogramm Trockengewicht ist sie für ein Naked-Bike aber kein absolutes  Leichtgewicht. Umso erstaunlicher ist das leichtfüßige Fahrverhalten der Speedy. Die Triumph winkelt willig ab und verhält sich bis in tiefste Schräglage extrem homogen und berechenbar. Vielleicht gibt es etwas agilere Motorräder in dieser Klasse, in puncto Stabilität und Neutralität macht der Speed Triple RS aber sicher keine was vor.

Fazit

Um das eingangs genutzte Zitat wieder aufzugreifen: Für die neue Speed Triple RS und ihre Vorgängerin, die Speed Triple R, müsste man Voltaires Sprichwort eigentlich in „das Exzellente ist des sehr Guten Feind“ abwandeln. War die Speed Triple R schon ein hervorragendes Motorrad, so macht die RS ihren Job fast perfekt. Die Speed Triple hat sowohl beim Motor als auch bei der Elektronik noch einmal deutlich zugelegt und lässt hier eigentlich keine Wünsche offen. Ihre 150 PS, das satte Drehmoment, die homogene Leistungsentfaltung und die hervorragenden Manieren des Motors machen die Speedy zu einem Landstraßen-Motorrad allererste Güte, dass den Fahrer fordert, aber nicht überfordert. Dank der Top-Stopper von Brembo, des feinen Öhlins-Fahrwerks, des neutralen Handling und natürlich der Elektronik ist man mit der Triumph sprichwörtlich in allen Situation Herr der Lage. On Top gibt es noch die gute Verarbeitung sowie die edlen Carbonteile, die der RS eine sehr wertige Anmutung verleihen. Wie gut das alles funktioniert, wurde mir in gedankenverlorenen Momenten bewusst. So ertappte ich mich in kurzen Fahrpausen oder an der Ampel immer wieder dabei, wie ich der Speedy seelig grinsend den Tank streichelte und mit den Fingern sanft über den Triumph-Schriftzug glitt.

Das alles hat natürlich seinen Preis. Wer das supersportliche Gesamtpaket der RS will, liegt mit Anschaffungskosten ab 16.150 € tatsächlich schon fast auf dem supersportlichen Niveau aktueller Superbikes. Wer ein sportliches Landstraßenmotorrad mit Alltagsqualitäten sucht, wird nach einer Probefahrt aber nicht mehr lange überlegen.

Die Arrow-Endtöpfe der RS sehen dank der Carbon-Abdeckungen nicht nur sehr gut aus, auch der Klang weiß zu begeistern.

Wie gewohnt kommt die Speed Triple mit Einarmschwinge, die Felge fällt mit dem Fünf-Speichen-Design nun aber noch filigraner aus.

Die edlen Carbon-Teile gibt es nur an der Speed Triple RS.

Schlüsselfunktion – Das Lenkerschloss wird an der Triumph per Knopfdruck aktiviert.

Die Armaturen der Speed Triple sind nun sogar von innen beleuchtet.

Die Speed Triple RS gibt es in den Farben Jet Black oder Crystal White.

Egal, ob Hinterland oder Großstadtdschungel, die Triumph überzeugt auf allen Terrains.

Das Display der Speed Triple passt sich automatisch den Lichtfeldhältnissen an und lässt sich auch mit ein GoPro Aciton Cam koppeln.

Will man die Speed Triple das ganze Jahr nutzen, ist der Pirelli Supercorsa SP als Erstbereifung nicht ganz die optimale Wahl.

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