Cal Crutchlow im Interview: MotoGP – ungefiltert

(Bilder: AS: 1, Jim Panse: 4, Michelin: 3)

Asphalt-Süchtig.de (AS): Hi Cal, Willkommen am Sachsenring! Nach Deinem starken zweiten Platz im letzten Jahr bist Du sicher mit positiven Gefühlen hierher zurückgekehrt. Wie steht es denn allgemein um Dein Verhältnis zum Kurs. Kommst Du hier gut zurecht?

Cal Crutchlow (CC): Ja, ich mag den Sachsenring. Ich hatte hier in den vergangenen Jahren ein paar sehr gute Ergebnisse. Ich kann gar nicht genau sagen, warum, aber irgendwie passt die Strecke zu meinem Fahrstil. Ich liebe die Fans hier, es sind immer jede Menge Zuschauer da und die Atmosphäre ist super. Und ich habe auf allen Fabrikaten gute Ergebnisse eingefahren. Ich komme also sehr gern hierher.

AS: Seit diesem Jahr ist der Kurs neu asphaltiert. Hat sich der Charakter der Strecke dadurch verändert?

CC: Es gibt überhaupt keine Bodenwellen und Unebenheiten mehr, was natürlich sehr gut ist und der Grip ist superb. Im Moment ist der Belag noch sehr frisch, aber ich habe schon ein sehr gutes Gefühl auf dem Motorrad und ich denke, wir werden überrascht sein, was hier in Zukunft an Rundenzeiten möglich sein wird.

Motorsport und Kaffeekränzchen: Am Sachsenring trafen wir MotoGP-Fahrer Cal Crutchlow zum ausführlichen Gespräch.

Motorsport und Kaffeekränzchen: Am Sachsenring trafen wir MotoGP-Fahrer Cal Crutchlow zum ausführlichen Gespräch.

AS: Die beste Nachricht der letzten Wochen wird für Dich sicher die Vertragsverlängerung bei LCR für weitere zwei Jahre sowie die Zusagen für ein Werksmotorrad von Honda gewesen sein. Du bist jetzt 31 Jahre und der Job als MotoGP-Fahrer ist sowohl physisch als auch psychisch extrem fordern. Wie trainierst Du, um mit den jüngeren Fahrern wie Maverick Viñales oder Marc Marquez mitzuhalten?

CC: Eigentlich ist es ganz simpel – man muss einfach immer sein Bestes geben. Ich bin fit genug, um auf einem MotoGP Motorrad schnell zu sein und kann problemlos mit den jüngeren Fahrern mithalten. Ich glaube, die meisten jungen Fahrer sind faul. Das trifft vielleicht nicht auf Marc und Maverick zu, aber viele der anderen trainieren nicht genug. Gegen Rennende können sie dann nicht mehr mithalten und nur ihr Material rettet sie über die Distanz. Deshalb sieht man in den letzten Runden kam noch starke Leistungen von den jungen Fahrern. Das trifft nicht auf Marc zu, er hat einfach immer den unbändigen Siegeswillen. Bei Maverick ist es ähnlich, hier spielt aber vermutlich auch das Gesamtpaket eine Rolle. Ansonsten sind es nur Dovi (Anmerk. d. Red.: Andrea Dovizioso), Pedrosa, Vale und ich, die am Ende noch schlagkräftig sind. Und wir sind die Ältesten in der Startaufstellung.

Cal Crutchlow bleibt LCR und Honda bis zum Jahr 2019 treu.

Cal Crutchlow bleibt LCR und Honda bis zum Jahr 2019 treu.

AS: Glaubst Du, dass das auch an der Erfahrung und am schonenderen Fahrstil liegt, dass gerade die alten Hasen am Ende noch fit sind?

CC: Nein. Die jüngere Generation denkt, sie seien Rockstars. Sie haben keine Lust, so viel Energie und Anstrengung aufzubringen, wie die alten Fahrer. Aber das werden sie über die Jahre noch lernen.

AS: Eine Deiner größten Stärken sind Deine Leistungen bei feuchten Bedingungen. Was macht Deiner Meinung nach hier den Unterschied aus? Führst Du das noch auf den Anfang Deiner Rennsportkarriere und die wechselhaften Bedingungen bei den Rennen in Groß-Britannien zurück?

CC: Nein. Ich glaube, ich hatte damals gar nicht so viele Rennen bei solchen Bedingungen. Ich kann es tatsächlich nicht so genau sagen. Ich pushe einfach auch dann noch, wenn die anderen es schon nicht mehr tun.

AS: Das Rennen am Sachsenring markiert das Enden der ersten Halbzeit der MotoGP und du bist aktuell auf Platz 9 in der Meisterschaft. Was sind Deine Ziele für die zweite Saisonhälfte? Gibt es einen bestimmten Fahrer, den Du unbedingt hinter Dir lassen willst?

CC: Man will natürlich immer gewinnen und ich habe hier keine speziellen Gegner. Du musst versuchen, immer den besten Job zu machen und dazu in der Lage zu sein, alle Fahrer zu schlagen. Aber es ist natürlich besonders schön, wenn man es schafft, die Jungs zu schlagen, die das bessere Paket haben.

AS: Die MotoGP hat sich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren stark verändert und es gibt inzwischen für die Fahrer sehr viele Verpflichtungen wie Interviews, PR- und Marketing-Termine. Wärest Du lieber in einer anderen Ära wie zum Beispiel den späten Achtzigern oder frühen Neunzigern und mit Fahrern wie Kevin Schwantz, Wayne Rainey oder später Mick Doohan gefahren? Oder fühlst Du dich wohl im heutigen MotoGP-Zirkus?

PR-Termine und Autogrammstunden gehören für Cal dazu, zählen aber nicht unbedingt zu seinen beliebtesten Aufgaben als MotoGP-Pilot.

PR-Termine und Autogrammstunden gehören für Cal dazu, zählen aber nicht unbedingt zu seinen beliebtesten Aufgaben als MotoGP-Pilot.

CC: Ich fühle mich in meiner jetzigen Situation eigentlich ziemlich wohl, aber ich würde es schon begrüßen, wenn der Rennsport nicht so politisch wäre und man ein bisschen mehr machen könnte, was man will. Natürlich mag ich Interviews nicht so sehr wie das Fahren. Aber ich verstehe natürlich die Notwendigkeit und ich weiß natürlich auch, dass die Leute, die das hier lesen, diejenigen sind, die Motorräder kaufen und dadurch ermöglichen, dass wir hier fahren können. Daher versuche ich auch immer, für Fans und alle drumherum 100 Prozent zu geben. Aber das bedeutet natürlich nicht, dass ich alles mag, was mit den Verpflichtungen zu tun hat. Vor allem am Rennwochenende haben wir (Fahrer) sehr viel zu tun. Wir haben Termine, es gibt Meetings und manchmal hat man dann einfach null Zeit, wenn ein Fan ein Bild oder Autogramm will. Das hat nichts mit den Leuten zu tun, aber neben dem Rennen hat man einfach eine Million Dinge zu tun.

AS: Du hast in den letzten Jahren viele verschiedene Fabrikate bewegt, warst als Werksfahrer bei Ducati, bist bei Tech3 Yamaha gefahren und sitzt nun bei LCR auf Honda. Falls dein Vertrag nach 2019 ausläuft, könntest Du dir vorstellen, danach für einen Hersteller wie KTM oder Aprilia zu fahren, oder es sogar mit Triumph zu versuchen, die ja gerade angekündigt haben, ab 2019 die Moto2 mit Motoren zu beliefern?

CC: Triumph geht ja nicht in die MotoGP. Ich habe genug Geld auf der Bank und hätte mich schon vor zwei Jahren zur Ruhe setzen können, ein Abstieg in die Moto2 ist daher keine Option. Aber ich würde auf jeden Fall auch noch zu einem anderen Hersteller gehen. Ich war dieses Jahr schon kurz davor und hatte die Möglichkeit, auf ein anderes Fabrikat und in ein Werksteam zu wechseln. Aber ich kann natürlich nicht verraten, mit wem ich noch verhandelt habe (lacht). Meine erste Wahl war aber das Team, in dem ich jetzt gerade bin. Das Angebot hier war sehr gut und im Moment kann ich mir gut vorstellen, bis an mein Karriereende bei Honda zu bleiben.

Kein Schritt zurück. Die Frage, ob nach seiner Zeit bei Honda auch ein Engagement in der Moto2 für ihn infrage käme, beantwortete Cal verbal und optisch eindeutig.

Kein Schritt zurück. Die Frage, ob nach seiner Zeit bei Honda auch ein Engagement in der Moto2 für ihn infrage käme, beantwortete Cal verbal und optisch eindeutig.

AS: Du hast gerade Dein Bankkonto erwähnt. Als MotoGP-Fahrer bist du viel unterwegs und Du könntest es Dir auch leisten, an den schönsten Plätzen der Welt zu leben. Jetzt hast Du dich vor ein paar Jahren dazu entschieden, dich auf der Isle of Man niederzulassen und dort Deine Familie zu gründen. Warum gerade die Isle of Man?

CC: Ich bin immer noch jeden Winter in Kalifornien. Aber ich bin ein großer Fan der TT und bin zu der Zeit, als James Toseland mein Teamkollege war, auf die Insel, um mir die Rennen anzuschauen. Und seit 2009 lebe ich nun dort. Es ist ein schönes Fleckchen und ich freue mich jetzt schon, nach dem Rennen dort wieder ein paar entspannte Tage zu verbringen.

AS: Wäre Road Racing wie bei der TT etwas, was Du dir als Rennfahrer vorstellen könntest? Oder würdest Du sagen, dass es zu verrückt ist, unter solchen Bedingungen zu fahren?

CC: Nein, ich würde das schon machen. Aber es ist auch etwas komplett anderes als das, was ich jetzt gerade tue. Ich fahre MotoGP und bin darauf spezialisiert. MotoGP und Straßenrennen sind einfach zwei komplett unterschiedliche Dinge.

AS: Viele der Zuschauer an der Strecke sind Motorsport-Fans, Motorräder und Motorradfahren sind ihr größtes Hobby und für die Meisten ist MotoGP-Fahrer ein absoluter Traumjob. Du hast dieses Ziel ja erreicht. Was macht man denn als MotoGP-Fahrer in seiner Freizeit, wenn man das Hobby als Beruf hat und nicht trainieren muss? Vermutlich wirst du nicht gerade Motorradfahren, oder?

CC: Ich habe zwar einen Führerschein, aber ich fahre nicht auf der Straße, da fahren abseits der Rennstrecke mir eigentlich keinen Spaß macht. Meistens fahre ich Fahrrad. Das ist für mich Training und Hobby zugleich. Ich fahre täglich mindestens drei, manchmal bis zu sechs Stunden und das an 6 Tagen in der Woche. Und ich habe natürlich meine Tochter. da bleibt keine Zeit, um auf der Couch zu liegen. Daher sagte ich auch, dass die anderen Fahrer faul sind – besonders die deutschen Fahrer. Deswegen breche sie gegen Rennende ein und beenden ihre Rennen nie auf Topplatzierungen. Sie schaffen im Qualifying eine schnelle Runde, aber im Rennen: No bueno.

AS: Vielen Dank für das Interview.

Dass Cal mit seiner letzten Einschätzung nicht ganz richtig lag, hat Jonas Folger im Rennen durch sein Duell mit Marc Marquez und den beeindruckenden zweiten Platz mehr als eindeutig belegt. Für Crutchlow reichte es am Ende nur für Platz 10.

Dass Cal mit seiner letzten Einschätzung nicht ganz richtig lag, hat Jonas Folger im Rennen durch sein Duell mit Marc Marquez und den beeindruckenden zweiten Platz mehr als eindeutig belegt. Für Crutchlow reichte es am Ende nur für Platz 10.

Der sonst so coole Brite war beim Termin mit Asphalt-Süchtig.de sichtlich nervös.

Der sonst so coole Brite war beim Termin mit Asphalt-Süchtig.de sichtlich nervös.

Respektsabstand: Neben Marc Marquez ist Maverick Vinales (#25) laut Cal Crutchlow der einzige Fahrer, der den alten Hasen im Grid das Wasser reichen kann.

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Jonas Folgers Teamkollege Johan Zarcos liegt hier auf dem Bild zwar hinter Crutchlow, hat in diesem Jahr aber schon mehrfach bewiesen, dass man auch ihn zum harten Nachwuchs im Fahrerlager zählen muss.

Jonas Folgers Teamkollege Johan Zarcos liegt hier auf dem Bild zwar hinter Crutchlow, hat in diesem Jahr aber schon mehrfach bewiesen, dass man auch ihn zum harten Nachwuchs im Fahrerlager zählen muss.

 

 

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